Im Ballstädt-Prozess ist die Vernehmung eines wichtigen Zeugen heute erneut vertagt worden. Das Gericht schickte den Beamten, der den Angeklagten Heerlein vernommen hatte, zum wiederholten Mal nach Hause, ohne ihn zu befragen. Die Vernehmung seiner Kollegin wird ebenfalls vertagt. Grund hierfür war ein kurzfristig gestellter Antrag der Verteidigung auf Beweismittelerhebungsverbot, den die Kammer, so der Vorsitzende Richter Holger Pröbstel, erst in Ruhe prüfen müsse.
Nachdem der Verhandlungstag durch mehrere Anträge der Verteidigung eröffnet wurde, die sich zum einen mit der Vernehmung Heerleins, andererseits mit den Blitzerfotos beschäftigten, und diese Anträge teils ausführlich verlesen wurden, zeigte sich auch Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst ungehalten: Die Verteidigung könne nicht einerseits monieren, dass das Verfahren sich in die Länge zöge und dies Konsequenzen für die Angeklagten habe, andererseits zu genau dieser Verzögerung beitragen.
In der Tat sorgen gerade die immer wieder kurzfristig gestellten Anträge der Verteidigung dafür, dass die Tagesplanung bereits zu Beginn verworfen wird und Verhandlungstage ohne die Vernehmung der geplanten Zeugen vertagt werden müssen. Das Ziel dieser Anträge ist unklar, zumal wenn sie Themen betreffen, die im Verfahren bereits mehrfach durch Anträge behandelt wurden und daher seit Monaten in der Diskussion sind. Für die Kammer offenbar kein Problem: Diesmal wurden die drei geladenen Zeugen allesamt ungehört entlassen und müssen für einen der kommenden Termine erneut geladen werden.
Der Verhandlungstag im Detail
Die ersten Anträge auf Beweismittelerhebungsverbot betrafen die Blitzerfotos, die in der Tatnacht zwischen Gotha und Ballstädt entstanden und auf denen in kurzem zeitlichen Abstand mehrere der Angeklagten zu sehen sind. Die Rechtsanwälte der Angeklagten Rußwurm und Fahrenbach argumentierten, dass es sich hierbei um Zufallsfunde handele, bei denen das Gericht zwischen den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und seinem Strafverfolgungsinteresse abwägen müsse. Angesichts dieser Anträge entschied die Kammer, die Vernehmung des ersten Zeugen, in der eben diese Fotos thematisiert werden sollten, zu vertagen.
In der Folge verlas RAin Kristin Pietrzyk für die Nebenklage eine Erklärung bezüglich einiger Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, die 2013 zur Telekommunikationsüberwachung des Angeklagten Wagner geführt hätten. Wagner sei verdächtig gewesen, eine terroristische Vereinigung gegründet oder unterstützt zu haben, er sei mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, sowohl mit Gewaltdelikten als auch mit Straftaten, die eine rechtsextreme Gesinnung nahelegten. Er sei zudem für die Texte der Band SKD, benannt nach einer SS-Einheit, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung beging, verantwortlich.
Diese Band habe unter anderem auf einem Blood & Honour-Sampler Lieder veröffentlicht, die eine antidemokratische, antisemitische und gewaltverherrlichende Grundhaltung offenbarten. Konkret heißt es in diesen Liedern unter anderem „hängt sie auf, die Volksverräter, an Laternen und an Bäumen“ sowie „Zionisten, euer letztes Stündlein hat geschlagen“. Außerden habe SKD ein Lied veröffentlicht, in dem die Band ihre Solidarität mit dem in München als NSU-Unterstützer angeklagten Rald Wohlleben erklärt.
Für den Angeklagten Keller lägen ebenfalls Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, dass er, wie Wagner, Steinau und Pommer, zum militanten Kern der rechtsextremen Szene in Thüringen gehöre.
Zum anschließenden Antrag durch RA Maik Bunzel – der sich erneut mit der Vernehmung des Angeklagten Heerlein beschäftigte – konstatierte die Nebenklage, er fasse nur die seit einem halben Jahr andauernde Diskussion im Gerichtssaal zusammen, trage aber nichts neues dazu bei.
Auch für den Vorsitzenden Richter schien der Antrag keine neuen Argumente zu beinhalten, erklärte er doch, die Kammer habe zu diesem Punkt bereits eine Position in der Schublade – und es wäre möglich die beiden Vernehmungsbeamt_innen Heerleins trotzdem anzuhören. Nachdem auch RA Windisch noch einen Widerspruch diesbezüglich stellte, zog es die Kammer dennoch vor, diesen zu prüfen und ihre Position erst am kommenden Verhandlungstag bekannt zu geben. Es scheint als sei im Moment nur der Nebenklage daran gelegen, in diesem Verfahren zeitnah zu einem Urteil zu kommen.
Angesichts des erneut nur einstündigen Verhandlungstages überrascht es nicht, dass ein Urteil in diesem Jahr immer unwahrscheinlicher wird. Für die kommenden drei Wochen haben die Angeklagten Wagner und Söllner angekündigt, sich zu äußern. Die Kammer hat indes neue Termine angesetzt – bis März 2017.
Die nächsten Verhandlungstage sind am kommenden Mittwoch, den 23.11., sowie am 30.11.2016.