40. Verhandlungstag (29.03.’17)

Am 40. Verhandlungstag wurde im Ballstädt-Prozess die Beweisaufnahme geschlossen. Das darauf folgende Plädoyer der Staatsanwaltschaft dauerte etwa drei Stunden. Im Folgenden sollen zunächst die Ausführungen zum formalen Prozessverlauf kurz geschildert werden, um dann ausführlicher auf die rechtliche Würdigung der Aussagen und Ermittlungsergebnisse sowie das sich daraus ergebende Strafmaß einzugehen.

Zu Beginn beschäftigte sich das staatsanwaltliche Plädoyer mit Verfahrenshindernissen wie während des Verfahrens gestellten Beweisverbotsanträgen und schloss damit aus ihrer Sicht mögliche Revisionsgründe aus. Hierzu gehörte, dass angesichts des umfangreichen Verfahrens die Verfahrensdauer in diesem Fall kein Hindernis sein könne. Die Berichterstattung über den Prozess stellt demnach ebenfalls kein Verfahrenshindernis im Sinne einer Vorverurteilung dar.

De Aussagen des Angeklagten Heerleins seien trotz teils fehlerhafter Belehrung des Angeklagten durch die Polizei verwertbar, weil diese Fehler nicht willkürlich oder zu seinem individuellen Nachteil geschehen seien, sondern schlicht weil die Thüringer Polizei zu diesem Zeitpunkt offenbar eine neue Richtlinie noch nicht umsetzte. Die Aussage Heerleins wurde im Prozess selbst teils durch die damaligen Vernehmungsbeamten eingeführt. Auch dies sei üblich, wenn ein Beschuldigter zunächst aussage und im Prozess schweige. Dieses Vorgehen sei damit kein Verstoß gegen ein faires Verfahren.

Beim Angeklagten Wagner stellte sich die Frage, ob ihm für eine Aussage die Entlassung aus der Untersuchungshaft versprochen worden sei, was unzulässig wäre. Dies war nicht der Fall.

Die beiden sogenannten Blitzerfotos, die zeigen, dass in der Tatnacht in kurzer Folge zwei Pkw mit je (mindestens) zwei der Angeklagten in der Nähe von Ballstädt unterwegs waren, seien als Zufallsfunde ebenfalls verwertbar.

Lediglich die Aussage des Angeklagten Keller war aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht vollständig verwertbar. Keller war zum Steinwurf auf das Gelbe Haus vernommen und hier als Zeuge belehrt worden, die weitere Belehrung, er sei ebenfalls Beschuldigter für den Überfall auf die Kirmesgesellschaft, sei undeutlich oder formal nicht korrekt erfolgt, jedenfalls sei nicht sicherzustellen, dass Keller sein Status als Beschuldigter während der Vernehmung klar war.

Die Aussagen der Angeklagten

Laut Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst hätten die Angeklagten „wenig bis nichts“ ausgesagt. Gemein sei ihren Aussagen, dass sie in Suhl auf der Geburtstagsfeier gewesen seien und Wagner dort einen Anruf erhalten habe, möglicherweise durch Keller, das sei aber nicht weiter relevant. Kästner-Hengst nahm in der Folge die Unterschiede in den einzelnen Einlassungen auf, die Bewertung dieser Aussagen folgte später und ist weiter unten im Text zu finden.

Wagner habe in der Vernehmung zunächst eine einfache Körperverletzung gestanden. Als ihm gesagt wurde, dies würde voraussichtlich nicht für eine Haftentlassung reichen, gestand er eine weitere Körperverletzung und erwähnte die Protektorenhandschuhe, die als Werkzeug eine gefährliche Körperverletzung nahelegen.
Rußwurm habe zudem erwähnt, er habe Heerlein mit einem Gegenstand gesehen. Nach Rußwurms Einlassung, am Kulturzentrum habe er vom Hof aus bemerkt, dass „Tommy“ Wagner drinnen „Hilfe benötige“ und dass er dann, zur Hilfe eilend, selbst einen Schlag vor den Kopf bekommen habe, könne man fast den Eindruck haben, Rußwurm habe als „honoriger, ehrenwerter Mann“ gehandelt und sei dann Opfer geworden – Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst liess keinen Zweifel daran, für wie wenig glaubwürdig er diese Version hielt.
Die weiteren Aussagen der Angeklagten im Prozessverlauf blieben ebenfalls mindestens schwammig. So erklärte Söllner die DNA-Spuren an seiner Kleidung damit, er sei betrunken im Kulturzentrum ausgerutscht, Fahrenbach erkannte wegen der Maskierungen niemanden aus der Gruppe, Baudler blieb beim Auto am Gelben Haus und Heerlein warf den Baseballschläger, den er dort erhielt, sofort weg und vermied danach, der Auseinandersetzung auch nur nahe zu kommen. Nicht immer konnte gegenteiliges bewiesen werden, insgesamt entstand aber der Eindruck, dass nur zugegeben wurde was ohnehin schon klar war und darüber hinaus versucht wurde, den Tatverlauf zu verschleiern.

Aussagen von Zeuginnen und Zeugen, DNA-Spuren und andere Indizien

Demgegenüber stünden, so Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst, die Aussagen von zehn Geschädigten und fast 20 weiteren Zeugen und Zeuginnen. Diese konnten zwar keine_n der Angeklagten zweifelsfrei erkennen, da die Angreifer schwarz gekleidet und vermummt waren, es gebe aber einige hilfreiche Mosaiksteinchen. Dass der erste Angreifer groß und kräftig gewesen sei, wurde im Prozess unzählige Male benannt, würde aber, hätte Wagner nicht bereits zugegeben, dieser Angreifer gewesen zu sein, wohl kaum für eine Verurteilung ausreichen. Die „kleine, kräftige“ Gestalt, die beim Angriff als letztes im kleinen Saal war, konnte mit einiger Wahrscheinlichkeit als der Angeklagte Steinau identifiziert werden, da dieser im Ort bekannt ist. Ebenso vage seien die Hinweise darauf, dass die Pkw von Steinau und Keller kurz vor der Tat am Gelben Haus gestanden hätten, kurz danach aber nicht mehr.

Die DNA-Treffer allein würden ebenfalls nicht reichen. Die Angeklagten hatten in ihren knappen Aussagen jeweils einen vermeintlichen Grund hierfür geliefert, aber auch ohne diese fragwürdigen Argumente (Söllner: „hingefallen“ erklärt DNA-Spuren von drei Geschädigten; Rußwurm: DNA am Stuhl, weil er selbst mit diesem Stuhl angegriffen wurde) könnten die Spuren nur nachweisen, wer am Tatort gewesen sei, nicht was er dort gemacht habe, so Kästner-Hengst.

Gesamtschau aus dem Prozessverlauf und Strafforderung

Diese verheerende Bilanz sorgte für die nötige Dramatik im Plädoyer des Oberstaatsanwaltes, doch die Beweislage ist nach 15 Monaten und 40 Verhandlungstagen nicht ganz so dürftig, wie dieser zunächst suggerierte.

Die Zusammenfassung des vermutlichen Tatgeschehens beginnt für die Staatsanwaltschaft ebenfalls in Suhl, auf der Geburtstagsfeier des Zeugen B. Nach einem Anruf sei Wagner aufgeregt gewesen und habe dafür gesorgt, dass eine Gruppe von mindestens zehn Personen sich auf den Weg nach Ballstädt mache, unterwegs habe er sogar versucht, telefonisch weitere Verstärkung zu mobilisieren. Währenddessen seien der Angeklagte Steinau und dessen Freundin H., die bereits in Ballstädt waren, zum Kulturzentrum geschickt worden, um im Sinne einer „verdeckten Aufklärung“ (OStA Kästner-Hengst) etwas über die dortige Feier herauszufinden.

Die Gruppe sei also geschlossen in Suhl aufgebrochen, habe sich in Ballstädt am Gelben Haus gesammelt und sei ebenso geschlossen in das Kulturzentrum hinein und wieder hinaus gestürmt. Letzteres wird belegt durch die Aussagen eines Zeugen, der sich zum Zeitpunkt des Überfalls im Hof des Kulturzentrums befand. Er konnte Ankunft und Rückweg der vermummten Gruppe beobachten und habe von dort Schreie sowie die Geräusche von umgeworfenen Möbeln und zerspringendem Glas gehört. Dieser Zeuge sei im Hof durch den Angeklagten Fahrenbach bewacht worden, der als Posten „zur Außensicherung“ (Kästner-Hengst) vor dem Gebäude aufgestellt war. „Zur Innensicherung“ habe die Angeklagte Scholl direkt am Eingang zum Gebäude gestanden und darauf geachtet, dass der Überfall nicht zu lange dauere. ZeugInnenaussagen zufolge war sie es ebenfalls, die mit einem „alle raus“ den Rückzug signalisiert.

Dieses Vorgehen spricht genauso für ein gemeinsamen Tatplan und einen hohen Organisationsgrad der Gruppe wie der Ablauf im Gebäude selbst. Einem Zeugen war aufgefallen, dass Wagner, nachdem er die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und die ersten zwei Gäste angegriffen habe, nicht heraus gedrängt wurde sondern sich vielmehr bereitwillig zum Vorraum schieben ließ. Er forderte die Gäste der Kirmesgesellschaft mit einer Handbewegung sogar dazu auf, ihm zu folgen.
Im Vorraum warteten, „lauerten“ (Kästner-Hengst), weitere 10-15 Personen, die über die Wagner folgenden Gäste herfielen.
Dieser Ablauf, der sich aus vielen Indizien und Zeugenaussagen zusammensetzt, ergebe einen geplanten Überfall einer geschlossen agierenden Gruppe, die hier mit ihrem brutalen Vorgehen ein Zeichen setzen und „Flagge zeigen“ (Aussage Rußwurm) wollte, um vermeintliche politische Gegner einzuschüchtern – damit Steinwürfe auf das Gelbe Haus oder Farbschmierereien dort nie wieder vorkämen.

Bei dieser Sachlage sei die Frage, so Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst, nicht mehr, wer individuell welche Tat begangen habe, sondern wer zu dieser Gruppe mit dem gemeinsamen Tatplan gehört habe und bei dem Überfall dabei gewesen sei.
Dieser Tatverlauf sei für die Staatsanwaltschaft bewiesen, vor allem weil er sich zu guten Teilen auf die Aussagen Wagners selbst stütze, der gegenüber seinen Mitangeklagten keinerlei Belastungseifer gezeigt, vielmehr durch wechselnde, teils unwahre und bereits widerlegte Darstellungen versuchte, diese zu entlasten.
Wagner selbst habe zunächst eine Körperverletzung zugegeben, später drei; zunächst habe er zugegeben, Handschuhe mit Kunststoffprotektoren getragen zu haben, worauf das Verletzungsbild bei den Geschädigten ebenfalls hindeutet, später behauptet, es seien lediglich Stoffhandschuhe gewesen. Was die Gruppengröße und den groben Ablauf angeht, habe Wagner jedoch konstant gleiche Angaben gemacht.

Die Aussagen der Angeklagten zusammenfassend erklärte Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst, bei einem Tatverlauf nach ihren Angaben ergäben sich folgende Fragen:
Wenn Wagner „die Sache alleine klären“ wollte, warum fuhr dann eine Gruppe von 10-15 Personen nach Ballstädt und warum versuchte Wagner selbst, auf dem Weg noch Verstärkung zu mobilisieren?
Warum trug nicht nur er selbst eine Maske, wenn er doch nur nach der zerstörten Scheibe fragen wollte, sondern warum vermummte sich die komplette Gruppe, bevor alle gemeinsam zum Kulturzentrum gingen?
Warum schickte man Steinau vor, um die Lage auszukundschaften und warum bezogen Fahrenbach und Scholl als Posten im Hof und am Eingang Stellung?
Wenn die meisten der Angeklagten betrunken waren, einer sogar vor Ort ausrutschte und ein anderer einen Gegenstand vor den Kopf bekam – warum gab es 10 verletzte Gäste der Kirmesgesellschaft, aber keine Verletzungen bei den Angeklagten?

Diese Fragen seien nur zu beantworten, wenn es einen gemeinsamen Tatplan gegeben habe, und dann sehe es schlecht aus für alle Angeklagten, die in den Überfall auf das Kulturzentrum involviert gewesen seien.
Dies gelte insbesondere für drei weitere Angeklagte, bei denen im Prozess der Nachweis erbracht wurde, dass sie sich mindestens im Vorraum des Kulturzentrums aufhielten.
Obwohl das durch die Staatsanwaltschaft beantragte Strafmaß erst ganz am Ende des Plädoyers verkündet wurde, soll es hier der Übersicht halber vorgezogen und der jeweiligen Tatbeteiligung angefügt werden. Die, ebenfalls zentrale, rechtliche Würdigung als gemeinschaftlich begangene Tat folgt danach.

Der erste dieser drei Angeklagten ist Rußwurm, der angegeben hatte, er habe von draußen den Eindruck gehabt, „Tommy“ Wagner benötige Hilfe. Abgesehen davon, dass Wagner die Nacht unverletzt überstand, ist dies von draußen überhaupt nicht einzusehen – Rußwurm musste also mindestens im Vorraum gewesen sein, einem DNA-Treffer zufolge sogar im hinteren Bereich, nahe der Treppe zum kleinen Saal. – Angesichts seiner Vorstrafen und inklusive zweier noch offener Verfahren: Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahre ohne Bewährung.

Zweitens Herrmann, der seiner Aussage zufolge stark betrunken gewesen sei und sich an nichts erinnern könne. An seiner Kleidung wurden jedoch DNA-Spuren eines Geschädigten gefunden, der versucht hatte die Tür zwischen Vorraum und kleinem Saal zuzuhalten und den Vorraum nicht betreten hatte: Herrmann muss also nicht nur im Kulturzentrum gewesen sein, sondern dort „an vorderster Front“, mitten in der Auseinandersetzung und damit direkt an der Tat beteiligt. Darüber hinaus gibt es keine Aussagen seitens der Geschädigten, dass einer der Angreifer getaumelt hätte oder sonst erkennbar alkoholisiert gewesen sei. – Ein Jahr, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Drittens betrifft dieser Nachweis einer direkten Tatbeteiligung den Angeklagten Söllner. Bei diesem waren an Jacke und Hose die DNA-Spuren von gleich drei Geschädigten festgestellt worden, was dieser offenbar damit zu begründen versuchte, er sei „ausgerutscht“. Hierfür gibt es nicht nur keine Hinweise, vielmehr weist ein weiterer DNA-Treffer an einem Gegenstand im hinteren Bereich des kleinen Saales nach, dass Söllner nach dem Überfall noch in Ruhe den Saal durchquerte, möglicherweise um sich nach „Beute“ umzusehen. Diese vier DNA-Spuren weisen Kästner-Hengst zufolge eine nicht unerhebliche, direkte Tatbeteiligung Söllners nach. – Ein Jahr, sechs Monate ohne Bewährung.

Bei weiteren acht Angeklagten war eine direkte Tatbeteiligung im Prozessverlauf nicht nachzuweisen, es gibt aber jeweils mehrere Indizien, dass alle acht sich während des Überfalls im oder am Kulturzentrum befanden.

Der Angeklagten Scholl wird zum Verhängnis, dass Wagner und Heerlein sie als Mitglied der Gruppe benannt haben. Dazu haben drei ZeugInnen unabhängig von einander ausgesagt, dass die einzige Frau der Gruppe während des Überfalls am Eingang postiert war und von dort möglicherweise das Kommando zum Rückzug gab. – Neun Monate auf Bewährung.

Ebenfalls als Posten vor dem Gebäude, dazu unvermummt, stand mehreren Aussagen zufolge der Angeklagte Fahrenbach. Dieser habe dort gesagt, er habe „nichts damit zu tun“, muss also von dem Tatplan gewusst haben. Seine Beteiligung wird durch Wagner und Heerlein ebenfalls bestätigt. – Neun Monate auf Bewährung.

Steinau wurde bereits vor dem Angriff als „Kundschafter“ identifiziert und ist im Ort bekannt. Die zuverlässigen Aussagen mehrerer ZeugInnen weisen nach, dass er nicht nur vor Ort war, sondern den kleinen Saal und das Gebäude als letzter verließ. Dabei versuchte er offenbar noch, eine Besucherin der Feier einzuschüchtern. – Ein Jahr, sechs Monate auf Bewährung.

Beim Angeklagten Keller gebe es die gleichen Indizien für die Zugehörigkeit zur Gruppe, zudem wurde sein Auto kurz vor der Tat am Gelben Haus gesehen und war danach verschwunden. Heerlein und Wagner benannten ihn als Teil der Gruppe. – Ein Jahr auf Bewährung.

Gleiches gilt für den Angeklagten Boitz, dessen DNA-Spur sich zudem am Stein befand, mit dem vermutlich die Scheibe am Gelben Haus eingeworfen wurde. Seine Tatbeteiligung sei klar, so Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst. – Ein Jahr auf Bewährung.

Beim Angeklagten Lückert würden die Aussagen Wagners und Heerleins sowie die Tatsache, dass er auf einem der Blitzerfotos zu sehen ist, für eine Tatbeteiligung und damit die Verurteilung ausreichen. – Ein Jahr auf Bewährung.

Für den Angeklagten Pommer gibt es lediglich die Aussage Wagners. Diese ist jedoch äußerst zuverlässig, warum sollte er ausgerechnet Pommer zu Unrecht belasten? Die Staatsanwaltschaft beantragt ebenfalls ein Jahr auf Bewährung.

Den Angeklagten Baudler, Blasche und Nixdorf ist nicht nachzuweisen, dass sie sich in der Tatnacht im oder nur vor dem Kulturzentrum aufhielten, alle drei können aus Sicht der Staatsanwaltschaft mit einem Freispruch rechnen.

Für den geständigen Wagner beantragte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst bezeichnete Wagner als den Anführer, der den Tatplan maßgeblich entwickelte und die Gruppe überzeugte, sich daran zu beteiligen. Darüber hinaus lässt sich unter anderem durch die schweren Schnittverletzungen in den Gesichtern zweier Geschädigter mit einiger Sicherheit nachweisen, dass Wagner Handschuhe mit Kunststoffprotektoren trug und damit Körperverletzungen in zwei tateinheitlichen Fällen mittels eines gefährlichen Gegenstandes ausführte.

Die rechtliche Bewertung des Tathergangs

Angeklagt sind zwei Straftatbestände. Die Voraussetzungen für schweren Hausfriedensbruch sind, dass eine Menschenmenge (10 oder mehr Personen) sich öffentlich zusammenrottet, geschlossen auftritt und widerrechtlich in ein Gebäude eindringt. Die Personenzahl ist in diesem Fall zwar eher an der unteren Grenze der Definition anzusetzen, jedoch war die Gefahr angesichts der vermummten Eindringlinge in den engen, unübersichtlichen Räumen kaum überschaubar. Sowohl angesichts der Definition als auch beim Rückgriff auf die Aussagen der Geschädigten und weiteren ZeugInnen aus den ersten Prozesstagen ist dieser Straftatbestand hier gegeben.

Schon beim schweren Hausfriedensbruch reicht es für eine Verurteilung aus, an der Zusammenrottung teilzunehmen, was hier insbesondere für die Angeklagten Scholl und Fahrenbach gilt. Sie spielten beim Tatverlauf, obwohl sie das Gebäude nicht betraten, keine untergeordnete Rolle (was als Beihilfe zu werten wäre), sondern tragen die volle Mittäterschaft.

Zwei´gefährliche Körperverletzungen im kleinen Saal werden Wagner zur Last gelegt. Der Angriff auf eine schlafende Person lässt sich, wie alle im Vorraum oder auf der Treppe zwischen den beiden Räumen begangenen Körperverletzungen nicht eindeutig zuordnen. Dies bedeutet, dass insgesamt acht tateinheitliche Körperverletzungen gemeinschaftlich durch den Rest der Gruppe, also alle, die sich im oder am Kulturzentrum befanden, begangen wurden. Es habe keine „Hilfe für Tommy“ gegeben, sondern ein geplantes Vorgehen, Gäste in den Vorraum zu locken und dort zu überfallen. Alle, die in diesem Wissen vom Gelben Haus zum Kulturzentrum gingen, sind verantwortlich für die dort begangenen Taten.

Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst wurde noch einmal laut, als er herausstellte, wie unverhältnismäßig das Vorgehen der Gruppe gewesen sei, eine friedliche Kirmesgesellschaft mit angetrunkenen Gästen so brutal zu überfallen. Zehn, zum Teil schwere Verletzungen für eine eingeworfene Scheibe, von der nicht einmal klar ist, wer sie verursachte?
So eine Rechtsstaatsfeindlichkeit und einen hohen Organisationsgrad, der nicht bei der Tat selbst aufhörte sondern auch die Vernichtung von Beweismitteln im Nachgang einschließt, habe er selten erlebt.
Eine Bewertung des politischen Tathintergrundes überlasse er zwar der Nebenklage, auf Grund der von der Gruppe ausgehenden Bedrohung für den Rechtsstaat appellierte Kästner-Hengst jedoch, das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz möge „diese Truppe“ gut im Auge behalten.

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