Prozessbeobachtung: 7. Verhandlungstag

 

Für den siebten Verhandlungstag waren drei ZeugInnen geladen, jedoch endete die Verhandlung heute bereits nach einer Stunde. RA Klemke wurde erneut durch Maik Bunzel vertreten, auch RA Nahrath ließ sich vertreten.

Eröffnet wurde die Verhandlung heute durch eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu einem Antrag, der am 20.01.2016 durch die Verteidigung gestellt wurde. RA Windisch hatte ein Verwertungsverbot für die Aussagen seines Mandanten während der polizeilichen Vernehmungen am 15. und 16.02.2014 beantragt. Es geht dabei unter anderem um die Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Thüringen. Der Vorsitzende Richter erklärte hierzu, er habe bereits das LfV angeschrieben und darum gebeten, ihm die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung zu stellen.


Zunächst erklärte Oberstaatsanwalt Kästner-Hengst jedoch, dass seiner Auffassung nach bei der Vernehmung lediglich für einen weniger wichtigen Vorhalt Erkenntnisse aus der TKÜ verwendet worden seien und der Angeklagten darüber hinaus durch weitere Hinweise und Spuren tatverdächtig gewesen sei. Der Anfangsverdacht basierte demnach keineswegs ausschließlich auf der TKÜ und die im Vorhalt verwendeten Erkenntnisse würden den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten. Dies gelte insbesondere, da nur eine „mittelbare Verwertung“ vorliege, in der TKÜ-Erkenntnisse als Grundlage für weitere Ermittlungen dienten, jedoch nicht als alleinige Beweismittel.
Selbst wenn das Gericht dieser Einschätzung nicht folgen würde, sei wegen des konkreten Verdachts auf eine Straftat die TKÜ gerechtfertigt gewesen. Er bezog sich hierbei insbesondere auf den zu diesem Zeitpunkt unklaren Hintergrund der Tat sowie den möglichen Raub eines Handys am Tatort unter Anwendung von Gewalt. Ein solcher Anfangsverdacht sei ausreichend für eine TKÜ, wenn er nicht nur auf kriminalistischer Erfahrung beruhe, sondern wenn es, wie in diesem Fall, um konkrete Hinweise auf eine Raubstraftat gebe. Dieser Verdacht bezog sich auf ein Handy, dass einer der Geschädigten nach der Tat vermisste und das auch am Tatort nicht aufgefunden werden konnte.

Bevor der erste Zeuge vernommen werden konnte wies RA Kalauch noch darauf hin, dass Mandant starke Antibiotika nehmen müsse, Schmerzen habe und möglicherweise nicht verhandlungsfähig wäre. Der Vorsitzende Richter merkte an, dass man darüber bereits gesprochen habe und Kalauch sich melden müsse, wenn es seinem Mandanten schlechter ginge. Die Gesundheit ginge vor und man würde die Verhandlung gegebenenfalls unterbrechen.

Der erste – und einzige – Zeuge des Tages war, wie die Zeugen des letzten Verhandlungstages, ebenfalls bei der Feier der Kirmesgesellschaft anwesend. Er erklärte, er sei selbst Mitglied der Kirmesgesellschaft, sei gegen 18:00 Uhr dort eingetroffen und habe bei den letzten Vorbereitungen geholfen. Es sei ein schöner Abend gewesen, man habe gegessen und getrunken, natürlich auch Alkohol. Es wären etwa 50 Gäste im Saal gewesen, später etwas weniger. Er sei zu späterer Stunde auf einem Stuhl eingeschlafen, in erster Linie weil er müde gewesen sei, stark betrunken wäre er nicht gewesen. Auf einer Skala von 1 bis 10 schätzte er, auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters, seine Trunkenheit an diesem Abend mit etwa 5 ein. Er sei durch ein Poltern aufgewacht und habe jedoch nicht erkennen können, was passiere, bis er durch einen Schlag ins Gesicht getroffen worden sei. Dadurch sei er vom Stuhl gestürzt und habe durch auf dem Boden liegende Scherben Schnittverletzungen an Hand, Ellenbogen, Ohr und zwischen den Augenbrauen erlitten. Dazu erlitt er Hämatome am Oberschenkel und Rücken; an mögliche Tritte, als er bereits am Boden lag, könne er sich jedoch nicht erinnern. Da der Geschädigte angesichts der Schnitte wohl auf die rechte Seite gefallen ist, die Hämatome aber links waren, bleibt deren Entstehen unklar.
Er sei kurz benommen gewesen und habe dann wahrgenommen, dass im Saal Chaos herrschte, der Boden blutverschmiert war und Freunde von ihm Verletzungen aufwiesen. Wie diese entstanden seien, habe er aber nicht mitbekommen. Infolge der Verletzungen sei er zwei Wochen krankgeschrieben gewesen, die vollständige Genesung habe noch länger gedauert. Bis heute geblieben seien Narben an der Hand und im Gesicht.

Der Schlag habe ihn am Jochbein getroffen und sei so plötzlich erfolgt, dass er, der eben noch schlief, keine Schutzhaltung habe einnehmen können. Der Täter sei groß und kräftig gewesen, mit einer dunklen Sweatjacke bekleidet und habe eine Skimaske und Handschuhe getragen.

Er habe zunächst keinen Verdacht gehabt, wer die Angreifer gewesen sein könnten, habe am nächsten Tag dann durch die Medien von der beschädigten Scheibe am gelben Haus erfahren und vermutet, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Über das Haus, seine neuen Bewohner sowie die Proteste dagegen habe er lediglich aus den Medien gehört. Aufgefallen wären ihm die Bewohner im Ort nicht. Von Tony Steinau, der sich am Abend der Tat bei einem Gast nach der Veranstaltung erkundigte, habe er auch lediglich gewusst, dass er im gelben Haus gewohnt habe. Die angesprochene Kontaktaufnahme selbst habe er nicht mitbekommen.

Die Fragerunde der Verteidigung fiel kurz aus. RA Waldschmidt erkundigte sich zunächst nach der Tischdeko im Saal, an die sich der Zeuge nicht erinnern konnte. Auch die Nachfrage nach den Servietten, die Waldschmidt durch die Bemerkung ergänzte, er benötige jedenfalls bei jedem Essen eine Serviette, führte nicht zu einem besseren Erinnerungsvermögen. Der Verteidiger fragte noch nach dem Blutalkoholwert, worauf der Zeuge antwortete, es sei lediglich Atemalkohol gemessen werden und er erinnere sich nicht mehr an den Wert. Waldschmidts Anmerkungen, ob der Zeuge über einen Atemalkoholwert von über einer Promille überrascht wäre und ob er häufiger einen solchen Wert überschreite, führen ins Leere. Auch bei diesem Zeugen hatte der Vorsitzende Richter zuvor betont, dass es völlig legitim sei auf einer Veranstaltung wie dieser Dankesfeier Alkohol zu konsumieren und seine Fragen danach lediglich einer Einschätzung der Lage dienen würden. RA Waldschmidts Fragen zielten in diesem Fall offenkundig auf etwas anderes ab – jedoch ohne Erfolg.

Es folgten noch zwei kurze Fragen der Nebenklage nach den Kleidungsstücken, die der Geschädigte am Tatabend getragen hatte. Er erklärte, diese seien blutverschmiert und zum Teil beschädigt gewesen, er habe sie aber nach der Tat direkt gewaschen und deshalb später der Polizei nicht mehr aushändigen können. Fußabdrücke, die auf Tritte hindeuten würden und die Hämatome erklären könnten, habe er nicht wahrgenommen. Die Kleidung sei jedoch dreckig gewesen, da er ja am Boden gelegen habe.

Nachdem der Zeuge den Gerichtssaal verlassen hat und der Verhandlungstag angesichts der Erkrankung Nixdorfs frühzeitig für beendet erklärt wurde, kündigte RA Junge noch eine Erklärung an. Diese müsse vor der Vernehmung des nächsten Zeugen verlesen werden.

Der Zeuge, Beamter beim LKA, war gerade in der Tür und wurde vom Vorsitzenden Richter nun wieder hinaus gebeten. RA Junge widersprach der Verwertung der Aussagen, die sein Mandat Keller in der polizeilichen Vernehmung getätigt hatte. Dies müsse er jetzt einbringen, da der kommende Zeuge bei dieser Vernehmung im Einsatz gewesen sei. Inhaltlich beanstande er, dass sein Mandant zunächst als Zeuge vernommen und im Gesprächsverlauf belehrt wurde, dass er als Tatverdächtiger in Frage komme. Der Zeitpunkt dieser Belehrung sei willkürlich gewesen und zu spät erfolgt. Auch hierbei handele es sich also um einen Antrag auf Beweismittelverwertungsverbot, der Parallelen aufweise zu dem am 20.01. gestellten Antrag der Verteidigung.
Der Oberstaatsanwalt erklärte, er werde sich inhaltlich noch nicht zu diesem Antrag äußern. Er müsse aber anmerken, dass etwa der betreffende Beamte am 20.01. zu der beanstandeten Vernehmung ohnehin nichts sagen konnte, dass eine Vernehmung also grundsätzlich trotzdem möglich sei. Zudem sei ein solcher Antrag rechtzeitig zu stellen. Hierbei schloss sich die Nebenklage an, die darauf hinwies, dass der  angesprochene letzte Antrag zum Verwertungsverbot erst mehrere Verhandlungstage später einging und in diesem Fall zunächst zu prüfen sei, ob der Antrag – einem Urteil des Bundesgerichtshofes folgend – fristgemäß eingegangen sei. Die dritte Zeugin, die für 11:30 Uhr geladen war, wurde mit Rücksicht auf den erkrankten Angeklagten benachrichtigt dass ihre Vernehmung vertagt wurde. 

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch, den 24.02.2016, um 09:30 Uhr fortgesetzt.